Alte Amsel

Einmal im Jahr werde ich tausend.
Dann stehe ich mitten in einem Kerzenmeer
und rudere sacht mit den Flügeln im Wind

auf dass deine Nussschale unterm Gaumensegel,
von hundertjährigen Schildkröten eskortiert,
auf der anderen Seite des feuchten Kissens
dein Ithaka, Mützenmichel, nicht verpasst.

Dir zuliebe werde ich mit Rasmus Aëras
ausgewählte Blüten streicheln, um dir zu leuchten,
Zuckmückenlarven beim Tanzen bestaunen im Auge der Regentonne

und mit fremdem Blick noch einmal den ganzen Unsinn überfliegen,
in Reih und Glied kultiviert, ausgedünnt, verdichtet,
der Vogelmiere maximale Angriffsfläche bis übers Dach,

und werde schließlich, unter geschlossener Lidhaut nichts
als eine gefiederte Panzerechse, mich weiter hinaufschrauben und
von dort kassandrisch zetern: Heutzutage wird zu früh gemäht!

7 Kommentare
  1. Es ist wunderschön. Die Bilder im Kopf tanzen Ringelreih’n und singen schräge Lieder, die letzten Mai die erste Feldlerche aufsteigend über dem spätesten Kohlerauch in die milde Luft feuerte. Obstbauern werden zu Regenmachern, eine Eisschicht soll die weiße Apfelblüte vor den nächtlichen Frösten schützen. Der Mond hat einen dicken Wanst, genau wie der Nachbar mit dem Elektrorasenmäher, die jungen Mädchen zeigen endlich wieder hüftbespeckte Unschuld überm Minirock. Weiter hinten am Tag leuchtet das Wanderbild, es strebt den Sommersternen zu, grün wie nachtatmende Aurora Borealis. Früh schmiegt sich Nebel ans Feld, der Regenwurm in der Tonne bittet um Gehör für sein stummes Liebeslied. Die Amsel erhörte ihn und trug letzte Noten in den Himmel hinauf. Sie schienen mir tausend Jahre wohlvertraut.

    Frei aus dem Sinn Dir hinterhergedichtet. Wunderbar kann so etwas sein.
    Danke…✨

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  2. Iris sagte:

    was für ein großartiges Frühlingsgedicht
    ein Genuss

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